»Nur« vier Menschen hingerichtet – eine Kompromisslösung?
Kurz belichtet, 29. Juli 2016
von Alex Flor
Vor wenigen Stunden wurden in Nusa Kambangan, Zentraljava, vier wegen Drogendelikten verurteilte Menschen hingerichtet. Die Identität der Hingerichteten ist uns bislang nicht bekannt. Angeblich sollen drei der vier Getöteten ausländischer Herkunft sein, zwei oder drei davon aus Nigeria. Unsere Anteilnahme gilt in dieser Stunde den Hinterbliebenen. Und einmal mehr bekräftigen wir unsere grundsätzliche Ablehnung der Todesstrafe – insbesondere vor dem Hintergrund der mehr als zweifelhaften indonesischen Justiz.
Die Identität der Hingerichteten werden wir voraussichtlich noch im Laufe des heutigen Tages der Presse entnehmen können. Wahrscheinlich niemals erfahren werden wir dagegen, warum »nur« vier der vorgesehenen 14 Personen erschossen wurden. Sind die zehn anderen nun einem weiteren Psychoterror ausgesetzt, weil sie fürchten müssen vielleicht noch heute Nacht in einer zweiten Runde an die Reihe zu kommen? Wer vermag sich die Gefühle und Gedanken vorzustellen, die diese Menschen zur Stunde durchleben?
Wurden sie nur einstweilen verschont oder dürfen sie auf ihr Überleben hoffen? Soll ihre (einstweilige?) Verschonung womöglich gar als »entgegenkommende« Reaktion auf die massiven internationalen Proteste von Menschenrechtsorganisationen und Regierungen weltweit verstanden werden? Etwa in Form eines scheinbar gesichtswahrenden Kompromisses: Indonesien hält prinzipiell an seiner harten Linie fest, kommt der internationalen Kritik aber insoweit entgegen, dass »nur« vier von 14 Menschen hingerichtet werden?
Es wäre zynisch, wenn man nun in Jakarta vielleicht sogar Dank und Anerkennung für diese »Kompromisslösung« erwarten würde. Und es wäre der Gipfel des Zynismus, wenn sich internationale Akteure die Rettung von zehn Menschenleben als Erfolg an die Brust zu heften versuchten.
Vor wenigen Stunden wurden vier Menschen erschossen!
Der Standard, 28. Juli 2016
http://derstandard.at/2000041992131/Vier-Menschen-wegen-Drogenhandel-in-Indonesien-hingerichtet
Vier Menschen wegen Drogenhandel in Indonesien hingerichtet
Darunter drei Ausländer
Jakarta – Trotz internationaler Proteste hat Indonesien vier verurteilte Drogenhändler hinrichten lassen. Sie wurden am Freitag kurz nach Mitternacht (Ortszeit) bei strömendem Regen von einem Erschießungskommando auf der Gefängnisinsel Nusa Kambangan getötet, wie die lokalen Sender „TV One“ und „Metro TV“ berichteten. Unter ihnen seien drei Ausländer gewesen, teilte Vize-Staatsanwalt Noor Rochmad mit.
Erst am Mittwoch und Donnerstag hatten die Bundesregierung und auch die Vereinten Nationen an Indonesien appelliert, auf die angekündigte Hinrichtung von 14 zum Tode verurteilten Drogenhändlern zu verzichten. Warum zehn von ihnen nun doch nicht exekutiert wurden, sagte Rochmad nicht.
Bei den Ausländern handelt es sich mehrheitlich um Nigerianer. Vergangenes Jahr waren in dem riesigen Inselstaat in Südostasien trotz internationaler Proteste 14 Menschen hingerichtet worden. Aktuell sitzen dort mindestens 121 Menschen in Todeszellen, fast alle wegen Drogendelikten. (APA, 28.7.2016)
Bundesjustizportal, 28. Juli 2016
Menschenrechtsbeauftragte kritisiert angekündigte Hinrichtungen in Indonesien
(BJP) Anlässlich der angekündigten Hinrichtung von 14 Personen in Indonesien erklärte die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Bärbel Kofler: Berichte über die unmittelbare bevorstehende Vollstreckung von 14 Todesurteilen in Indonesien erfüllen mich mit großer Sorge. Ich rufe den indonesischen Präsidenten Joko Widodo dazu auf, die Vollstreckung der Todesstrafe auszusetzen und zu einem Moratorium zurückzukehren. Die Vollstreckung der Todesstrafe ist eine Verletzung des Rechts auf Leben, und die Bundesregierung lehnt sie unter allen Umständen ab. Die Anwendung der Todesstrafe ist besonders bedenklich in Fällen, in denen erhebliche Zweifel an der Fairness der rechtlichen Verfahren bestehen. Menschenrechtsorganisationen berichten über erhebliche Mängel in den Verfahren gegen die Todeskandidaten in Indonesien, darunter Mangel an Rechtsbeistand und diplomatischer Betreuung. Manche der Urteile erfolgten auf Grund von Geständnissen, die möglicherweise durch Folter erzwungen wurden. Ich rufe die indonesischen Behörden nachdrücklich dazu auf, auf Hinrichtungen zu verzichten, diese Vorwürfe restlos aufzuklären und alle Zweifel an den Verfahren auszuräumen. Justizirrtümer werden durch die Hinrichtung von Verurteilten auf tragische Weise unumkehrbar.
Deutschland wie auch andere internationale Partner stehen bereit, gemeinsam mit Indonesien alternative Formen der Drogenpolitik zu entwickeln. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Todesstrafe kein wirksames Mittel für die Bekämpfung der Drogenkriminalität ist und nicht stärker abschreckend wirkt als lange Haftstrafen. Nach Artikel 6 des von Indonesien ratifizierten Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte ist die Todesstrafe allenfalls für schwerwiegendste Verbrechen zulässig. Ihre Anwendung bei Drogendelikten ist daher eine Verletzung des Völkerrechts.
Hintergrund:
Das indonesische Strafrecht sieht die Todesstrafe für Verbrechen wie Mord, Terrorismus und illegalen Drogenhandel vor. In den Jahren 2009 bis 2012 wurden in Indonesien keine Todesurteile vollstreckt. Anfang 2015 wurden trotz massiver internationaler Proteste erneut Hinrichtungen vollzogen. Danach hatte die indonesische Regierung internationalen Partner versichert, vorläufig auf weitere Vollstreckungen zu verzichten.
Am Freitag, den 29.07. könnten 14 wegen Drogenvergehen Verurteilte durch Erschießungskommando hingerichtet werden, darunter vier indonesische und zehn ausländische, mehrheitlich nigerianische Staatsangehörige. In einigen der Verfahren berichten Menschenrechtsorganisationen von erheblichen rechtsstaatlichen Mängeln.
Derzeit befinden sich mehr als 130 zum Tode verurteilte Personen in indonesischen Gefängnissen, nahezu die Hälfte von ihnen wegen Drogenvergehen. Die indonesische Regierung unter Präsident Widodo vertritt die Auffassung, Drogenmissbrauch nur mit der angeblich abschreckenden Wirkung der Todesstrafe bekämpfen zu können.
Quelle: auswaertiges-amt.de